11.07.2025, 21:03
(11.07.2025, 10:04)S_J schrieb: Man sollte nicht vergessen, dass solche Meldungen, so wichtig die Sache an sich auch ist, in erster Linie auch einfach Werbung für den Verein sind, mit der man sich als attraktiv und sicher darstellen möchte. Eine Pressemeldung zu Anti-Doping Aktionen hätte da eine andere Zielgruppe und Wirkung.
Was dann wirklich dahintersteckt, weiß man natürlich nicht. Ich habe schon oft erlebt, dass sich Vereine und auch Verbände so etwas auf die Fahnen schreiben, aber wenn es dann tatsächlich darum ging, zu handeln, ist doch nie etwas passiert. Aber wenn Germany Athletics damit erfolgreich ist, setzt es vielleicht die anderen Vereine unter Zugzwang und es verbessert sich tatsächlich etwas.
Den Punkt möchte ich unterstreichen. Da ich beruflich viel mit der Thematik zu tun habe, bekommt man auch viel mit, was der Öffentlichkeit verborgen bleibt. Das hat Für und Wider.
Einerseits ist es löblich, dass der Präventionsschutz in den Blickpunkt rückt, Triebfeder ist aber ganz eindeutig die Politik und nicht die im Sport eingesetzte Läuterung. Das BMI fordert (im Nachgang an die Safe Sport Studie) seit einigen Jahren das Vorhandensein verschiedener Konzepte zum Schutz vor u. a. sexualisierter Gewalt und daran anknüpfend Maßnahmen zur qualifizierten Weiterbildung von Haupt- und Ehrenamt. Daran ist nämlich die Finanzierung geknüpft - keine Konzepte, keine Kohle. Alle Spitzenfachverbände und Institutionen des Bundes im Sport (IAT, FES, OSPs) mussten als erste ran und die LSBs haben nachgezogen oder sind dabei.
In der Umsetzung gibt es bisher keine Direktive seitens BMI/DOSB (Stichwort: Zentrum für Safe Sport) und der Datenschutz erschwert ein sauberes Arbeiten massiv. Die Handhabung liegt auf Seiten der Verbände und da trifft man auf eine Mischung aus "ich weiß von nichts, mein Name ist Hase", wenig Wille zur Aufarbeitung und schön viel Platz zum unter den Teppich Kehren.
In der Praxis läuft das dann in der Regel so ab:
Athlet A meldet sich bei einer Anlaufstelle und erhebt Vorwürfe gegen Trainer B, die allesamt zwar dokumentiert und - bei entsprechender Faktenlage - auch in diversen Interventionsplänen nach oben hin zu den Entscheidungsebenen weiter gemeldet werden. Dort wird dann abgewogen, inwieweit man ohne Gesichtsverlust und Imageschaden (!) aus der Nummer heraus kommen kann. Meist gar nicht, also stößt man an gläserne Decken. Erschwerend kommt hinzu, dass kaum ein Athlet oder kaum eine Athletin bereit sind, "durchzuziehen". Das ist meist durch deren Abhängigkeit in den sportpolitischen Verflechtungen und dem starken Machtgefälle begründet. Letzteres ist übrigens in mehreren Studien als Gefahrenquelle Nr. 1 für Missbrauch im Sport herausgearbeitet worden. Am Ende geht kaum ein Weg an den Verbänden vorbei, denn Kaderstatus und -förderung sowie ultimativ Nominierung für die internationalen Großereignisse - der größtmögliche Hebel - liegt nun mal in deren Hand. Illustre Beispiele haben wir alle in den Fällen Bredau/Bulmahn und zuletzt Pfeiffer beobachten können. Die Gemengelage ist äußert frustrierend.
Es ist nur wenige Wochen her, dass ein Funktionär mit großer Vita im DLV aus ebendiesen Gründen von der Bildfläche verschwunden ist. Zu lesen war davon nirgendwo, auch wenn es den aufmerksamen Beobachtern der Szene wahrscheinlich nicht verborgen geblieben ist. Die entsprechende Institution wird sich aber hüten, den Fall öffentlich aufzuklären und darf sich bei ggf. laufenden Klageverfahren sowieso nicht dazu äußern. Im Zweifel gibt es wieder einen Deal hinter verschlossenen Türen und diese Person findet eine neue Anstellung im organisierten Sport, auch wenn sie dort für immer verbrannt sein sollte. Das Spiel geht dann immer so weiter.
Eins kann ich sicher sagen: Das Schutzkonzept des DLV ist nicht einmal das Papier wert, auf das es gedruckt wurde. Einfach nur Show für die Öffentlichkeit und Geldgeber, denn es werden mehrere Personen weiterbeschäftigt und selbst unter großem Druck im Amt gehalten, aber weiter ins Detail gehen darf ich hier leider nicht.
Im Vorfeld an die WM in Tokio wird eine größere Reportage im ÖR erscheinen, die teils schwere Vorwürfe von mehreren Athlet:innen in der Leichtathletik behandelt. Leider wieder zum größten Teil anonym, s. Abhängigkeitsverhältnisse, Machtgefälle und Angst vor Repressalien.